Chemienobelpreis 1950: Otto Paul Hermann Diels — Kurt Alder

Chemienobelpreis 1950: Otto Paul Hermann Diels — Kurt Alder
Chemienobelpreis 1950: Otto Paul Hermann Diels — Kurt Alder
 
Die beiden deutschen Wissenschaftler erhielten den Nobelpreis für »die Entdeckung und die Entwicklung der Diensynthese«.
 
 Biografien
 
Otto Paul Hermann Diels, * Hamburg 23. 1. 1876, ✝ Kiel 7. 3. 1954; 1895-99 Chemiestudium in Berlin, ab 1904 dort Dozent, 1906 Promotion, ab 1915 Professor, 1916-45 Leiter des chemischen Instituts der Universität Kiel, 1930 Adolf von Berger Medaille, 1952 Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
 
Kurt Alder, * Königshütte (heute Chorzów, Polen) 10. 7. 1902, ✝ Köln 20. 6. 1958; 1922 Chemiestudium an der Universität in Berlin, 1926 Promotion an der Universität in Kiel, ab 1934 dort Dozent, 1936 Beschäftigung bei I.G.Farben, 1940 Professor an der Universität Köln. 1938 Emil Fischer Gedenkmedaille.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Mehr als 20 Jahre lagen zwischen der Entdeckung und Entwicklung der Diensynthese und der Verleihung des Nobelpreises an Otto Diels und Kurt Alder für ihre Leistungen auf diesem Gebiet. Mit der Bezeichnung Diensynthese — auch Diels-Alder-Reaktion genannt — wird ein Reaktionsmechanismus beschrieben, in dem ein Dien und ein Dienophil (»Dien liebende« Substanz), zu einer neuen chemischen Verbindung reagieren. Mit ihrer theoretischen Deutung des Reaktionsverlaufs gelang es den beiden Chemikern, die Möglichkeiten der Synthese von Naturstoffen bedeutend zu erweitern, vorzugsweise für höhermolekulare Verbindungen, deren chemische Komplexität einfachen Synthesewegen entgegenstand.
 
 Die Diensynthese
 
Ein Dien ist eine chemische Verbindung, die eine Kette von vier Kohlenstoffatomen enthält, wobei die einzelnen Kohlenstoffatome miteinander in der Reihenfolge DoppelbindungEinfachbindung — Doppelbindung verbunden sind. Viele »Diene« sind monomere Grundbausteine in der Herstellung von Kunststoffen. Mit dieser Verbindung, dem Dien, reagiert das Dienophil, das zwei durch eine Doppelbindung verknüpfte Kohlenstoffatome enthalten muss. Unter Rückgriff auf ein vereinfachtes theoretisches Modell gilt ferner, dass das Dienophil eine aktivierende funktionelle Gruppe enthält. Eine funktionelle Gruppe entscheidet darüber, ob es sich bei der betreffenden Verbindung beispielsweise um einen Alkohol, einen Ether oder um eine Säure handelt. Diese funktionelle Gruppe muss zu der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindung (»C-C-Doppelbindung«) ebenfalls »in Konjugation« stehen. Zudem verläuft nach einer Faustregel die Diels-Alder-Reaktion umso besser, je stärker die Polarität der aktivierenden Gruppe ist, und zwar bis hin zur Notwendigkeit, aus Sicherheitsgründen nur kleine Chemikalienmengen zur Reaktion bringen zu können. Die Polarität ist ein Merkmal für die relative Ladungsverteilung im Molekül. Erwünscht ist ein Effekt, der die Elektronen der C-C-Doppelbindung in Richtung auf die aktivierende Gruppe zieht. Die so bewirkte asymmetrische Ladungsverteilung im Molekül begünstigt den Ablauf der Diels-Alder-Reaktion. Mithilfe dieser Ladungsverschiebung wird der Mechanismus der Ringschließung der Diensynthese gedeutet.
 
Das Merkmal einer Diels-Alder-Reaktion besteht nun darin, dass die C-C-Doppelbindungen des Diens und des Dienophils in zwei neue einfache C-C-Bindungen aufgehen. Die im ursprünglichen Dien zwischen den beiden C-C-Doppelbindungen bestehende C-C-Einfachbindung wandelt sich zu einer C-C-Doppelbindung um. Das neu entstehende Molekül, in der Fachsprache »Addukt« genannt, weist in der Regel einen Ring aus sechs Kohlenstoffatomen auf, von denen zwei über eine C-C-Doppelbindung miteinander verbunden sind. Möglich ist auch die Synthese von Verbindungen mit einer Brücke im Molekül oder von so genannten heterocyclischen Verbindungen. Bei letzteren ist neben Kohlenstoffatomen noch ein anderes Element in den Ring des Moleküls eingebaut, zum Beispiel Sauerstoff, Stickstoff oder Schwefel. Der Einbau auch mehrerer Heteroatome ist möglich.
 
Die Diensynthese verläuft spontan bei Raumtemperatur als glatte Reaktion. Sie kann bei geeignet strukturiertem Dien und Dienophil eine spezifische räumliche Anordnung des gewünschten Endprodukts aufweisen. Gerade bei der Synthese von Naturstoffen, die nicht zuletzt als biochemische Botenstoffe, etwa als Sexuallockstoffe, dienen, ist dies von großer Bedeutung. Die Diensynthese kann als ein Sonderfall einer chemischen Reaktion aufgefasst werden, die bei ununterbrochener Fortsetzung zu einem Polymer führen würde, jedoch die Bildung einer makromolekularen Kette sofort abbricht. Um dies in der Praxis zu erreichen, werden mitunter Inhibitoren (»Verhinderer«) in das Reaktionsgefäß eingebracht, die den unerwünschten Effekt der Polymerisation unterdrücken. Kaum zu vermeiden ist hingegen die Dimerisation, die Reaktion zweier gleicher Moleküle miteinander. Sie tritt dann ein, wenn einer der Reaktionspartner zugleich als Dien und als Dienophil wirken kann. Ein Beispiel ist die Dimerisation von Vinylacetylen zu Styrol.
 
 Ein Beispiel für Dimerisation
 
Styrol ist zugleich ein Beispiel für ein so genanntes unechtes Dien, da es statt einer C-C-Doppel- eine C-C-Dreifachbindung zwischen zwei Kohlenstoffatomen enthält. Das Styrol kann als Dien fungieren, möglich ist aber auch ein Verhalten als Dienophil, obwohl die C-C-Doppelbindung durch den Phenylrest nur schwach aktiviert ist. Daher wird die Neigung des Styrols zur Di- beziehungsweise Polymerisation mit dem bekannten Endprodukt Polystyrol verständlich. Obwohl diese Reaktion als Diensynthese gedeutet werden kann, zählt die Darstellung von Polystyrol, als eine seit über 150 Jahren bekannte Verbindung, technisch zu der Produktion von Kunststoffen. Soll die Bildung von Polystyrol unterdrückt werden, muss, wie erwähnt, ein Inhibitor eingesetzt werden.
 
Ein weiteres Beispiel für eine Diels-Alder-Reaktion als Dimerisation ist die Synthese des (+)- und des (-)-Limonen (C10H16) sowie des Racemats dieser beiden Substanzen, des Dipenten aus Isopren (zur Erläuterung siehe Nobelpreis 1902, Emil Fischer). Die Substanzen sind Aromastoffe: Terpentinöl enthält Dipenten, Fichtennadelöl (-)-Limonen und Kümmelöl (+)-Limonen. Die Relevanz der Diels-Alder-Reaktion für die Naturstoffchemie tritt hier deutlich hervor.
 
Zum Zeitpunkt der Preisverleihung war eine breite technische Anwendung der Erkenntnisse von Diels und Alder nicht in Sicht. Die Anwendung der neuen chemischen Theorie auf althergebrachte chemisch-technische Verfahren ergab jedoch teilweise überraschende Ergebnisse. So ist das Auftreten einer Reihe von Endprodukten des thermischen Crackens von Erdölen wohl auf den dabei aber nur in größerem Rahmen beeinflussbaren Ablauf von Diels-Alder-Reaktionen zurückzuführen. Gleiches gilt im Übrigen für wirtschaftlich wichtige Produkte und Nebenprodukte der bis dahin schon seit über 100 Jahren durchgeführten Verkokung von Kohle. Die Leistungen von Diels und Alder lagen in der Deutung bereits bekannter, aber missinterpretierter Beobachtungen. Nicht zuletzt für den sich entwickelnden Bereich der Chemie der Kunststoffe (Polymere) brachte ihre Deutung der chemischen Reaktion einen erheblichen Erkenntnisgewinn.
 
N. Fuchsloch

Universal-Lexikon. 2012.

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